Trost
. "Wenn man keinen Kummer hat, dann braucht man auch keinen Trost", sagte Clara und sog
genießerisch an ihrer Zigarette, blies den Rauch seitlich aus dem Mund. Sie blickte Paul triumphal an,
so als hätte sie etwas gesagt, das man nicht widerlegen konnte. Auf ihren Lippen bebte der Trotz eines
Lächelns, das sich nicht komplett unterdrücken ließ.
Paul hob die Augenbrauen und erwiderte, "Trost braucht man immer wieder. Braucht man ihn nicht
für sich selbst, dann braucht man ihn für andere. Der Mensch ist auch das Wesen, das trösten kann".
"Ist das so"? fragte Clara. "Nicht jeder Mensch kann getröstet werden. Nicht jeder Mensch will
getröstet werden".
"Ist das deine endgültige Meinung? Ich muss mich trösten."
Sie fragte ihn aber nicht, warum das so sein sollte.
Clara zuckte ihre Schulter und sog erneut an ihrer Zigarette. Das Thema ermüdete sie, und sie
dachte, Paul betreffend, auch er ermüdet mich mit seinen ständigen Litaneien, immer wieder nimmt er
irgendeinen Sachverhalt auseinander, um daraus ein
Konstrukt zu erschaffen, damit er einen besseren Halt im Leben findet. Er ist wie ein Kind, das mit
Bauklötzen spielt - der Turm aus Bauklötzen soll höher werden, aber irgendwann fällt der Turm
ineinander zusammen. Und wenn das passieren sollte...dann will ich nicht in seiner Nähe sein.
Clara war keine ausschließlich kalte Persönlichkeit, sie war eine durchschnittlich leidgeprüfte Frau,
die ihre Hochsensibilität hinter gespielter Lässigkeit verbarg.
"...der Trost der Ablenkung", sagte Paul, und Clara tat so, als hätte sie ihm zugehört. "Aber", fügte
er gewichtig hinzu, "die Ablenkung kann eine Umleitung sein, dann dauert es länger, bis man ans Ziel
kommt"
"Aber je länger der Weg - oder die Umleitung, wie du meinst - desto mehr kann man erleben".
"Nicht unbedingt", beteuerte er, und Clara schloss innerlich die Augen, weil er sich wieder in
seinem Element zurechtfinden wollte. So war es oft, wenn sie sich trafen, egal, wo sich die beiden
aufhielten, er versuchte ihr seine Sicht der Dinge zu erörtern, auch wenn sie ihn nicht danach gefragt
hatte.
Jetzt wiederholte er sich: "Den Trost der Ablenkung, wie sehr ich ihn brauche".
Clara sah ihn einigermaßen teilnahmslos an, und er sagte: "Ich werde ein Jahr im Ausland
verweilen".
Hoffentlich, dachte sie etwas beängstigt, wird er mich nicht fragen, ob ich mit ihm dorthin reisen
und bleiben werde.,
Sie meinte neutralbetonend, "Wirst du alleine dorthin reisen"?
Er räusperte sich, saß aufrecht und blickte Clara händefaltend an, wobei sich in ihr Besorgnis
mitteilte, er könne sie anbetend darum bitten, mit ihm zu reisen.
"Ja, ich reise alleine".
Sie nickte und dachte, "Was ein Trost für mich".
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